Alpine opfert Saison für nächstes Jahr: "2026er-Auto ist ein anderes Biest"

Alpine gibt Saison vorzeitig auf
„2026er-Auto ist ein anderes Biest“

Veröffentlicht am 19.07.2025

Eins muss man Alpine zugestehen – das Team hat von Anfang an mit offenen Karten gespielt. 2025 wurde frühzeitig zum Übergangsjahr deklariert. In der letzten Saison mit einem eigenen Motor war schnell klar, dass es nicht mehr viel zu gewinnen gibt. Also wurde die Entwicklung nach wenigen Rennen abgehakt und der Fokus auf das nächste Modell verschoben.

"Wir haben uns vor der Saison auf einen Plan festgelegt. Der hat besagt, dass wir dieses Jahr nur ein größeres Upgrade in Barcelona bringen", verrät Technikchef David Sanchez. Natürlich hatten sich die Ingenieure etwas mehr erhofft als nur 19 WM-Punkte in der ersten Saisonhälfte. Damit liegt das Werksteam abgeschlagen am Ende der Teamwertung.

"Alle Autos sind beim Design eng aneinander gerückt. Die Abstände sind so klein geworden. Dadurch wirken sich unsere Schwächen stärker aus", erklärt der oberste Techniker. Die angesprochenen Schwächen liegen vor allem auf Seiten der Power Unit. Bei der Effizienz des Hybrid-Systems und der Maximalleistung des Verbrenners hat Alpine im Vergleich zu den direkten Gegnern im Mittelfeld einen Rückstand.

David Sanchez & Flavio Briatore - Alpine - GP Emilia-Romagna - Formel 1 - 2025
xpb

Alpine hat abgeschenkt

"Das führt auf manchen Strecken dazu, dass wir weniger Abtrieb fahren müssen. Und das wirkt sich dann in einem erhöhten Reifenverschleiß aus. In Österreich war es besonders extrem", erklärt der Franzose das Dilemma. Alpine muss auf Fehler der Konkurrenz oder chaotische Bedingungen wie in Silverstone hoffen. So konnte Pierre Gasly mit Platz sechs ein unerwartetes Highlight setzen.

Auf größere Upgrades brauchen die Piloten nicht zu hoffen: "Wir haben noch ein paar Kleinigkeiten geplant. Jetzt geht es aber hauptsächlich darum, das Maximum aus dem vorhandenen Paket zu holen und die Performance konstant abzurufen", erklärt Sanchez. "Wenn alles passt, ist die Pace nicht so schlecht. Es geht nun darum, möglichst häufig dieses Level zu erreichen. Wir müssen uns Rennen für Rennen richtig an die Bedingungen anpassen."

Für die Fahrer ist es keine einfache Situation. Das Team hat die Saison abgeschenkt. Jetzt geht es darum, irgendwie die Motivation oben zu halten. Gasly gibt zu, dass es nicht leicht ist, positiv zu bleiben: "Die Performance ist manchmal frustrierend. Aber die Jungs geben ihr Bestes. Ich versuche, mit gutem Beispiel voranzugehen. Natürlich ist es nicht schön, wenn man nicht weiß, ob man bis zum Ende des Jahres überhaupt noch Punkte sammelt. Das macht keinen Spaß."

Pierre Gasly - Alpine - GP Österreich - Formel 1 - 2025
Wilhelm

Situation anders als im Vorjahr

Der Pilot will sich aber nicht beklagen: "Wir haben eine mutige Entscheidung getroffen und bezahlen dafür jetzt den Preis. Ich habe das Team aber zu diesem Weg ermutigt. Ich hoffe, das zahlt sich nächstes Jahr aus. Wir wollen wieder ganz vorne um die Podiumsplätze mitfahren. Von all dem, was ich in der Fabrik sehe, sieht es gut für nächstes Jahr aus. Das ganze Team hat große Erwartungen. Ich kann es kaum erwarten, das neue Auto auf der Strecke zu erleben."

Große Hoffnungen, dieses Jahr noch die rote Laterne abzugeben, hat der Franzose nicht: "Letztes Jahr haben uns einige schon abgeschrieben. Dann haben wir das Ruder noch rumgerissen. Dieses Jahr ist die Situation aber etwas anders. Aktuell liegen wir nicht einmal in der Nähe der Punkte. Wir sind langsamer als unsere direkten Gegner. Das heißt, dass wir Hilfe brauchen. In den Rennen kann immer viel passieren, aber auf dem Papier dürfte es schwierig werden, diese Lücke zu schließen."

Die Piloten müssen sich irgendwie mit unterlegenem Material durchbeißen. Immerhin vermitteln die Ingenieure etwas Hoffnung, dass es 2026 besser wird. Sanchez bereut die Entscheidung nicht: "Wenn wir uns anschauen, wie sich das Auto für nächstes Jahr entwickelt, da verläuft die Lernkurve ziemlich steil. Deshalb sind wir sehr glücklich mit unserer Wahl."

Pierre Gasly - Alpine - GP England 2025
xpb

Aufschwung mit Mercedes-Power?

Hoffnung gibt auch der Wechsel des Antriebspartners. Statt der eigenen Power Unit hat Alpine 2026 einen Mercedes-Motor im Heck. Glaubt man den letzten Fahrerlager-Gerüchten, könnten die Equipe vom schwächsten auf das stärkste Aggregat im Feld wechseln. Und dass man auch Meisterschaften mit einem Kundenmotor gewinnen kann, hat McLaren gerade erst eindrucksvoll bewiesen.

"Es gibt immer Vor- und Nachteile", so Sanchez zum Wechsel vom Werks- zum Kundenteam. "Hier hängt immer alles davon ab, wie gut das Verhältnis zum Motorenpartner ist. Aktuell läuft die Zusammenarbeit sehr gut. Da können wir uns nicht beklagen. Wir haben alles, was wir brauchen, um das nächstjährige Auto zu entwickeln."

Die Frage lautet nur, ob auch der Rest des Chassis mit dem Antriebs-Update mithalten kann. In den letzten Jahren zeigte Alpine in allen Techniksparten Schwächen. "Unsere Designabteilungen haben sich gut entwickelt – manche schneller als andere. Bei der Aerodynamik haben wir wohl den größten Schritt gemacht. Das ist das, wo ich herkomme und wo ich mich wohlfühle", gibt sich Sanchez zuversichtlich.

F1-Auto 2026 - FIA-Concept
FIA

2026er-Auto mit komplexer Technik

Außerdem gebe es mit dem neuen Reglement einen klaren Schnitt: "Das Auto für nächstes Jahr ist ein ganz anderes Biest, was den Charakter angeht. Aber es ist immer noch ein Formel-1-Auto. Es kommt weiter auf Abtrieb und eine gute Balance an." Die Frage lautet, wer die Rätsel der neuen Effizienz-Formel am besten entschlüsselt. Der deutlich erhöhte Elektro-Anteil führt zum Beispiel zur Einführung eines ganz neuen DRS-Modus, bei dem auch der Frontflügel auf den Geraden nach hinten klappt.

"Wenn man es mit dem aktuellen DRS vergleicht, dann ist es nicht viel anders", erklärt Sanchez. "Die Komplexität entsteht durch die Kopplung mit dem Energie-Management-System. Das Zusammenspiel zwischen der Aero-Effizienz, dem Modus für die langen Geraden und dem Energie-Management stellt ein kompliziertes Problem dar, das nicht so einfach zu lösen ist. Und davon hängt dann auch der Abtriebslevel ab, den man anpeilen muss."

Weil Alpine am Stichtag Ende Juni auf dem letzten Platz lag, haben die Aerodynamiker für die zweite Jahreshälfte immerhin die meisten Windkanalstunden aller Teams zur Verfügung. Jetzt braucht es nur noch die richtigen Ideen.